Alleskönner oder Spezialist?

Sie sind breit aufgestellt, flexibel und lieben neue Herausforderungen. Doch bei der Jobsuche tun Sie sich als Generalist heute schwer. Woran scheitern Alleskönner – worauf kommt es stattdessen an?

Ein Beispiel: Sigmar K. Produktmanager, der sich um alles gekümmert hat, Organisation, Öffentlichkeitsarbeit, Kundenmanagement und noch die Internetauftritte der Firma über Website und Facebook. Mit viel Erfahrung, Mitte 40, im besten Alter also – 50 Bewerbungen, doch keine einzige Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Was läuft schief?
Er ist Generalist, gut ausgebildet und breit aufgestellt, mitvielfältigen Stärken vielseitig interessiert, wissbegierig, veränderungsbereit und motiviert; jedoch in der Rolle als Bewerber hat er das Gefühl, im Wettbewerb um ausgeschriebene Stellen gegen Fachspezialisten und Branchenexperten den Kürzeren zu ziehen.
Es frustriert ihn, war er doch bisher der Meinung, durch seine Fähigkeit, sich flexibel in neue Themen hineindenken zu können, als Arbeitnehmer besonders attraktiv zu sein.
Alleskönner, bitte draußen bleiben?
Es klingt verrückt, zwar suchen Arbeitgeber nach wie vor eigentlich nach der Eier-legenden-Wollmilchsau, doch scheinen sie verstärkt Generalisten im Bewerbungsprozess schon in der ersten Runde aus dem Rennen zu kicken.
So jemand zu nehmen ist viel zu riskant, denkt sich womöglich einer der ohnehin überforderten Chefs. Solche Alleskönner könnten sich in Strukturen und Prozesse einmischen, Schwachstellen finden, die man lieber nicht berührt. Dann lieber den exakt zur Stelle passenden, fachkompetenten, jedoch in seiner Breite „ungefährlichen“ Spezialisten einstellen. Da weiß man schließlich, woran man ist.
Und so stehen Generalisten wie Sigmar jeden Tag wieder vor Hunderten neuer Jobangebote, die zwar interessant klingen, wovon jedoch keines exakt passt. Das führt dann leicht dazu, dass sie an ihren Fähigkeiten, sowie dem echten Wert ihrer Stärken zweifeln. Das Selbstwertgefühl sinkt. Das dumpfe Gefühl drängt sich auf:„Vielleicht habe ich mich immer nur irgendwie erfolgreich durchgewurschtelt und kann doch nichts so richtig gut. Hätte ich mich nicht längst spezialisieren müssen?“

Weiterbilden oder als Generalist punkten mit klarem Profil?
Bemerken Generalisten, dass sie als Bewerber auf Ablehnung stoßen, schrauben sie oft ihre übergreifenden Stärken und Erfolge herab und stapeln tief. Oder sie suchen dann noch schnell einige Weiterbildungen, um im Lebenslauf zumindest den Anschein zu erwecken, zielgerichtetes Spezialistentum erreicht zu haben. Solche Menschen finden sich dann oft in Beratungen wieder und wünschen Vorschläge für möglichst sinnvolle Weiterbildungen. Aber solcherart absolvierte Weiterbildung kann nicht sinnvoll sein, da sie nicht zielgerichtet ist (außer für die Bewerbung zu punkten). Und jeder Generalist, verkleidet als Spezialist, kann niemals überzeugen und verfolgt eine Notstrategie, mit der er sich selbst schwächt.
Diesen Generalisten ist stattdessen zu empfehlen, ihre vielseitigen Stärken zu erkennen und herauszustreichen, sowie noch gezielter nach solchen Arbeitgebern zu suchen, die ein echtes Interesse an ihrem übergreifenden Wissen und den oft hiermit verbundenen Kreativ-Qualitäten besitzen. Konsequent nach Positionen Ausschau zu halten, die vor allem breites, statt spezialisiertes Wissen und Denken erfordern und damit stärker konzeptionell-strategisch und weniger operativ-verwaltend ausgerichtet sind.
Erst wenn Generalisten ihre eigenen Vorzüge selbst wertschätzen, können sie im Wettbewerb mit den Spezialisten punkten. Generalisten sind als Bewerber dann erfolgreich, wenn sie sich selbstbewusst als solche zu erkennen geben. Das heißt jedoch nicht, dem Personalereinfach einen bunten Strauß aller ihrer Stärken vor die Füße zu werfen, sondern jeweils gezielt und klar mit ihrer Bewerbung auf das Angebot eingehen, ihre relevanten Vorzüge präsentieren.
Unsere Arbeitswelt wird sicher auch in den Zeiten der Digitalisierung und Automatisierung neben Spezialisten mit den Details im Blick, noch vermehrt Generalisten mit Weitblick benötigen.

Damit beide Seiten, Arbeitgeber, als auch Jobsuchende, besser zueinander finden, sollten Firmen ihre Recruiting-Prozesse so gestalten, dass sich Jobwechsler eindeutiger in Stellenausschreibungen wiederfinden, sowie Generalisten-Bewerber für Generalisten-Positionen nicht mangels Spezialisierung automatisch aussortiert, sondern ihre vielseitigen Fähigkeiten und echten Potenziale frühzeitig erkannt werden.

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